Sonntag, 5. Dezember 2010

Das tapfere Strickerlein


Über die Ängste und Nöte von handarbeitenden Frauen ist ja bislang viel zu wenig bekannt. Ich werde jetzt mal anfangen, das ein wenig zu ändern und aus dem ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. In der heutigen Folge werden wir eine Strickerin aus der Nähe beobachten.

Da sitzt sie also auf ihrem Sofa, Sessel, Stuhl, Fußboden, in der U-Bahn, dem Bus, dem Flugzeug, dem Auto. Ja, also logisch, im Auto wird nur an roten Ampeln oder im Stau gestrickt. Was da sonst alles passieren könnte! Nicht auszudenken. Und dann muss das zu hause wieder alles aufgeribbelt werden.

Wo war ich? Jedenfalls strickt frau, klipperklapper. Immer und überall. Nur: wohin mit dem Zeug, wenn es fertig ist? Die Kinder kloppen sich zwar vorher immer drum, für wen das nächste Teil wird, aber wenn's dann fertig ist, ziehn sie es nicht wirklich an. Es sei denn: Mutti strickt mal nicht was, was garantiert nicht selbstgestrickt aussieht und hört ihrer Tochter genau zu. Wie der Pullover auszusehen hat. Aus welcher Wolle und in welcher Farbe er sein soll.

Und fühlt sich verdammt an ihre Oberstufe erinnert, als alle mit solchen - äh ja - Pullovern rumgelaufen sind, die sie während der Grundkurse gestrickt haben. Außer in Mathe, unser Mathelehrer war Spießer.

Wo war ich? Genau. Ich habe also das Fräulein M. in die Auswahl der Wolle integriert und ganz genau aufgepasst, als sie beschrieben hat, wie er werden soll, der Mann - äh quatsch - Pullover ihrer Träume. Und dann habe ich ihn gestrickt.

Und dann hat sie mir das schönste Kompliment gemacht, das man einer Strickerin machen kann:

Sie zieht ihn an. Immer. Wenn sie in den Reitstall geht: Wo ist mein Pullover? Wenn sie in die Schule geht: Wo ist mein Pullover? Wenn sie zu ihrer Freundin geht: Wo ist mein Pullover? Wenn sie... na, so jedenfalls.

Und zwischendurch nimmt er die Haltung ein, die nur die wirklich geliebten Kleidungsstücke einnehmen.


Und der Herr S. aus F. hat gesagt: So was schönes kannst du stricken? Klar. Och, das hätte ich aber auch gern.

Lieber Herr S. aus F., wünsch dir nix, es könnte in Erfüllung gehen.


1 Kommentar:

  1. Köstlich, deine Worte sind ja so zutreffend, das kenn ich auch so.
    Und Mama freut sich, wenn es den Kindern dann gefällt und sie es (manchmal nur eine kurze Zeit lang) anziehen.
    Aber wir halten das aus und stricken weiter.
    Wünsche dir eine schöne Adventszeit
    Liebe Grüße Eva
    P.S. Der Pullover ist echt schön, so ein Klassiker bleibt lange oben auf der Beliebtheitsskala.

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